Freitag, 17. April 2015

Schafft sich die Öffentlichkeit eine andere Archäologie? - Erfahrungen mit Archaeologik

Archäologie = Altertumswissenschaft. Dass Archäologie in der Öffentlichkeit häufig als Altertümersammeln oder Altertumsparawissenschaft/ -phantasterei begriffen wird, hat sich in verschiedenen Blogposts hier auf Archaeologik schon gezeigt:


http://www.dguf.de
Eine Tagung der DGUF in Tübingen wird sich am 14.-17-5.2015 des Themas annehmen: "Schafft sich die Öffentlichkeit eine andere Archäologie? Analysen einer Machtverschiebung".

Einige der für die Tagung formulierten Fragen, wurden hier auf Archaeologik schon angesprochen. Deshalb - und weil ein archäologisches Blog auch eine neue Erfahrung im Kontaktbereich von Wissenschaft und Gesellschaft darstellt - wird ein Vortrag meinerseits versuchen, die Erfahrungen aus bald 5 Jahren Archaeologik dazu zu formulieren.

Der Abstract zum Vortrag (siehe auch DGUF-pdf):

Archaeologik – Erfahrungen mit einem Wissenschaftsblog

Rainer Schreg (Mainz/Heidelberg)
Seit etwa fünf Jahren besteht das Weblog Archaeologik. Es ist derzeit eines der wenigen aktiven deutschsprachigen Wissenschaftsblogs aus dem Feld der Archäologie. Es versteht sich anders als viele andere Blog- und Internetangebote weder als Nachrichtenplattform, noch als institutionelles PR-Instrument, sondern möchte vielmehr eine aktive Rolle in aktuellen Diskussionen um methodisch-theoretische, wissenschaftspolitische und gesellschaftliche Aspekte der Archäologie einnehmen. Das Blog ist deshalb nicht institutionell verankert, sondern präsentiert sich als privates Angebot eines aktiven Wissenschaftlers.
Als Archaeologik an den Start ging, gab es kein klares Konzept bezüglich Inhalten und Zielpublikum. Vielmehr war es der Überlegung geschuldet, dass so skandalöse Vorgänge, wie damals konkret die Prahlerei von Helmut Thoma, Ex-RTL-Chef, mit einem geschmuggelten palmyrenischen Grabrelief, nicht unkommentiert stehen bleiben können. Die klassischen Medien und archäologischen Verbände schienen mir nicht die geeignete Möglichkeit einer Reaktion zu bieten. Ein Blog erschien mir spontan als eine Chance, archäologische Fachinteressen jenseits der üblichen Erfolgs- und Fundmeldungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Archaeologik startete als Experiment.
Einige Beiträge und Themenkreise, die Archaeologik in den vergangenen Jahren aufgegriffen hat, werfen ein Schlaglicht auf das Verhältnis von Archäologie und neuer Öffentlichkeit. In der Praxis des Bloggens wurde an vielen Stellen deutlich, dass die Wahrnehmung der Archäologie außerhalb des Faches eine ganz andere ist, als wir uns das zumeist vorstellen. Es gibt große Gruppen prinzipiell Archäologie-interessierter Bürger, die wir über unsere normalen Kanäle nicht erreichen, die mit den üblichen Pressemeldungen über Funde und Ausgrabungen wenig anfangen können. Einerseits fehlt es an Grundlagenwissen, das weniger denn je in der Schule vermittelt wird, andererseits bauen die Interessen nicht auf einer wissenschaftlichen Grundlage auf.
Zudem zeigt sich, dass die kritische Thematisierung und das Hinterfragen aktueller Entwicklungen im Fach offenbar in eine Lücke stoßen. Viele Archaeologik-Beiträge haben unerwartete Resonanz (fruchtbare wie dümmliche Kommentare, Medien-Anfragen und Angebote für Projektkooperationen) und ein sehr vielfältiges Publikum (zahlreiche Kollegen, viele Journalisten und ein breites Spektrum von Archäologie-Interessierten) gefunden.
Es zeigen sich die Chancen (und die Notwendigkeit) einer offenen und glaubwürdigen Kommunikation fachwissenschaftlicher Positionen und Probleme in eine breite Öffentlichkeit. Eine gewisse fachliche, durch Kompetenz legitimierte Autorität (weshalb ich gerne zunehmend auf Gastbeiträge zurückgreife) gehört ebenso dazu, wie die Bereitschaft zuzuhören. Die Frage, was archäologische Forschung gesellschaftlich legitimiert, ist nicht nur eine lästige Schikane beim Schreiben von Projektanträgen, sondern erweist sich m. E. als grundlegend für unsere gesamte fachliche Tätigkeit. Bloggen führt Praxis und Theorie der Archäologie zusammen und macht deutlich, dass wir die Theorie ganz dringend brauchen, um die Öffentlichkeit zu erreichen und in der Praxis bestehen zu können.

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